Der Gettysburg-Feldzug, Teil 4: Der zweite Tag der Schlacht

 

Der erste Tag der Schlacht war eindeutig mit dem Vorteil auf Seiten der Konföderierten zu Ende gegangen. Sie hatten zwei Unions-Corps zurückgedrängt und besetzten nun die Stadt Gettysburg. Sie waren mit diesem Tag durchaus zufrieden, zumal sie vom Ausbruch der Schlacht überrascht worden waren. Jedoch hatten sie es versäumt, die Hügel südlich der Stadt anzugreifen, auf denen sich die geschlag­enen Unions-Einheiten nun befestigten. Stuart's Kavallerie war noch immer nicht zurück. So schickten Lee's Corps-Kommandeure eigene Späher aus, die meldeten, dass die restlichen 5 Unions-Corps wohl im Laufe des nächsten Tages angekommen sein würden.

Es kam nun zu der Meinungsverschiedenheit, die bis heute die Gelehrten beschäftigt:

  

General Robert E. Lee, CSA / LtGen James Longstreet, CSA, 1. Corps / Major General George G. Meade, USA

LtGen James Longstreet, Kommandeur des 1. Corps, ritt voraus und traf sich mit General Lee. Er schlug vor, dass sich die konföderierte Armee jetzt aus dem Kampf zurückziehen und nach Südosten gehen sollte, ein Stück weit auf Washington zu. Meade müsste ihm folgen, und Lee könnte sich den Ort für die entscheidende Schlacht in Ruhe aussuchen.

Lee war dagegen. Er bestand darauf, den Erfolg des Tages zu nutzen und Meade hier zu schlagen, auch wenn er ursprünglich nicht vorgehabt hatte, hier zu kämpfen. Longstreet gehorchte, aber dass er mit seiner (aus heutiger Sicht besseren) Taktik nicht durchgedrungen war, kränkte ihn.

 

Am 2. Juli hatte sich die Unions-Armee auf dem langgezogenen Hügel südlich von Gettysburg - genannt Cemetery Hill - eingerichtet. Ihre Aufstellung zog sich entlang der Hügelkette in einem Bogen südwärts und südostwärts hin. Historiker bezeichnen die Formation mit einem "Fischerhaken". Das hatte den Vorteil, dass die Union ihre Kräfte auf internen Wegen verschieben konnte, wie es nötig wurde.

Die Konföderierten standen auf ganzer Länge dieser gekrümmten Unions-Stellung gegenüber, aber auf der Außenseite des Bogens. Ihre Linie war damit deutlich länger, und interne Verbindungswege gab es auch nicht. Damit war ihre Position viel schwieriger. Meade konnte in sicherer Stellung abwarten, und Lee musste angreifen - oder eben abziehen.

Lee wollte bekanntlich nicht weichen. Sein Plan war es, an den beiden äußersten Enden der Unions-Linie anzugreifen, um diese Flanken zu brechen und so hinter die Unions-Linien zu gelangen. Ewell's Corps sollte die rechte, Longstreet's Corps (das in der Nacht angekommen war) zeitgleich die linke Unions-Flanke treffen. (Diese Richtungsangaben sind immer aus der Blickrichtung der jeweiligen Seite gesehen, d.h. die rechte-Unionsflanke steht der linken konföderierten Flanke gegenüber, und umgekehrt.)

Durch die Länge der konföderierten Außenlinie scheiterte aber die Kommunikation. Ewell griff an, lange bevor Longstreet in Position war. Er hatte zwar einigen Erfolg, konnte aber den Hügel nicht stürmen, der von dem XI. und XII. Unions-Corps gehalten wurde. Longstreet musste erst einige Meilen zum linken Ende der Unions-Linie marschieren. Als sein Corps dabei auf eine Lichtung kam, musste es sogar umkehren und einen großen Umweg nehmen, da es sonst vom Beobachtungsposten auf einem der Unions-Hügel aus gesehen werden konnte. Erst um 16 Uhr konnte dort der Angriff beginnen.

Longstreet befahl seinen Divisionen den direkten Angriff, wie es Lee verlangt hatte, obwohl ein südliches Umgehen der Unions-Flanke möglich gewesen wäre. Aber nachdem er am Abend zuvor seine Strategie bei Lee nicht durchsetzen konnte, hielt er sich nun genau an Lee's Weisungen. Der Angriff scheiterte, und anstelle eines Erfolges musste Longstreet zahlreiche Verluste hinnehmen - darunter auch seinen Divisionsführer und Freund MajGen John Bell Hood, der schwer am Arm verwundet wurde.

 

Am Fuße des Little Round Top (Foto kurz nach der Schlacht), die verstreuten Felsbrocken sind gut zu erkennen / Blick vom Little Round Top über das Gelände (aktuelles Bild), mit Statue des damaligen Pionier-Chefs BrigGen Gouverneur K. Warren, auf dessen Anraten der Hügel rechtzeitig von Unions-Einheiten gesichert wurde)

Am Abend hatte die Union jenen Hügel (den Little Round Top) besetzt und gesichert, der die Umrundung ihrer Flanke möglich gemacht hätte.

So endete der zweite Tag der Schlacht von Gettysburg mit einem Unentschieden. Beide Armeen hatten hohe Verluste, die Union konnte ihre Stellung verteidigen, und die Konföderation hatte nur geringe Erfolge, war aber nicht geschlagen.

 

Übersichtskarte Gettysburg am 2. Tag:

 

Hier wieder zunächst der Bericht von General Robert E. Lee über den Verlauf der Schlacht aus seiner Sicht:

 

Der Feind besetzte nebeneinander die Anhöhen südöstlich und südlich der Stadt, letzterer bekannt als Cemetery Hill. Seine Linie erstreckte sich weiter auf erhöhtem Gelände entlang der Emmitsburg-Straße mit einer starken Erhebung am Ende, der ebenfalls besetzt war. Die Anhöhe war schwierig zu erklimmen, insbesondere die beiden vorgenannten Hügel und der dritte am anderen Ende, an dem die linke Flanke des Feindes ankerte. Zusätzlichen Schutz boten ihm mehrere Steinwälle und Zäune und behinderten unseren Anmarsch. Davor war das Gelände unverstellt und in einer Tiefe von mehr als einem Kilometer offen.

Genreal Ewell's Corps bildete unsere linke Flanke, Johnson's Division stand dabei gegenüber der Anhöhe neben dem Cemetery Hill, Early's in der Mitte, und Rodes' rechts davon. Hill's Corps stand an vor der West-Seite von Cemetery Hill, dehnte sich etwa parallel der Emmityburg-Straße aus und schloss in einem Bogen an Ewell's Corps an. Pender's Division stand darin links, Anderson's rechts, und Heth's Division unter Brigadegeneral Pettigrew wurde in Reserve gehalten. Seine Artillerie unter Colonel Walker wurde an geeigneten Positionen entlang dieser Linie aufgestellt.

Es wurde beschlossen, den entscheidenden Angriff auf der linken Seite des Feindes zu führen, und die Artillerie wurde in eine Position augeschickt, die hierfür geeignet erschien. Longstreet erhielt Befehl, seine Divisionen unter McLaws und Hood rechts von Hill aufzustellen und den linken Flügel des Feindes teilweise einzukreisen, den er umfassen sollte. General Hill sollte gleichzeitig das Zentrum des Feindes angreifen, damit dieser keine Verstärkungen an seine Flügel verlegt, während seine rechte Division an Longstreet's Angriff teilnehmen sollte.

General Ewell hatte Befehl, sich gleichzeitig an der rechten Flanke des Feindes zu zeigen und bei passender Gelegenheit einen realen Angriff daraus zu entwickeln.

Um 16 Uhr eröffneten Longstreet's Batterien, und gleich darauf marschierte Hood's Division auf der äußersten Rechten zum Angriff. McLaws folgte kurz darauf, unterstützt von vier Brigaden aus Anderson's Division unter Wilcox, Perry, Wright und Posey in dieser Reihenfolge. Der Feind wurde rasch aus seiner Position an der Emmitsburg-Straße vertrieben und nahm Schutz in einer Senke und hinter einer Reihe steinerner Zäune. Nach schwerem Gefecht wurde er auch hieraus vertrieben und zog sich auf die Anhöhe zurück. Eine Reihe seiner Batterien gingen in unseren Besitz über.

Wilcox' und Wright's Brigaden gingen mutig vor, trieben tiefe Kerben in die gegnerische Infanterie und veranlassten ihn zur Aufgabe zahlreicher Artillerie. Wilcox erreichte den Fuß und Wright den Kamm der Anhöhe und trieben den Feind auf der anderen Seite hinab. Aber da sie den Kontakt zu McLaws verloren und weiter vorgegangen waren als die anderen Brigaden, mussten sie sich zurückziehen und konnten die erbeutete Kavallerie dabei nicht mitnehmen.

Auch McLaws zog sich zurück, und mit Einbruch der Dunkelheit beschloss General Longstreet, die Ankunft von General Pickett abzuwarten. Er platzierte sein Kommando so dass das errungene Gelände gehalten wurde und zog seine linken Einheiten auf die erste Position zurück, aus der der Feind vertrieben worden war. Vier Geschütze, mehrere hundert Gefangene und zwei Regimentsfahnen waren erbeutet worden.

Sobald das Gefecht am äußersten Rand begann, öffnete General Johnson mit seiner Artillerie und marschierte zwei Stunden später mit drei Brigaden auf den Hügel neben Cemetery Hill zu. Seine vierte Brigade war mit Demonstrationen links von ihm beschäftigt. Kurz darauf griff General Early Cemetery Hill mit zwei Brigaden an, unterstützt von einer Dritten, während die vierte seit Kurzem an anderer Stelle zugewiesen war. Der Feind hatte seine Positionen, die von Johnson und Early angegriffen wurden, durch Erdarbeiten stark ausgebaut.

Johnson's Truppen bewegten sich gleichmäßig den steilen und rauhen Abhang hinauf, heftig beschossen, und trieb den Feind in seine Befestigungen, die teilweise von Steuart's Brigade eingenommen und ihre Verteidiger in Gefangenschaft genommen wurden.

Der Kampf zog sich bis in den Abend hin, brachte aber keine weiteren Erfolge. Am Cemetery Hill erfolgte der mutige Angriff von Early's führenden Brigaden - jene von Hays und Hoke unter Colonel Avery. Zwei Reihen feindlicher Infanterie wurde aus den Deckungen einiger Steine und Lattenzäune an der Steigung gejagt und in die Befestigungen oben auf der Anhöhe gedränkt, welche unsere Truppen erstürmten und einige Artillerie-Geschütze erbeuteten. Auf ihrer Rechten erschien eine starke Einheit, und mangels Unterstützung mussten sie sich zurückziehen. Die Beute waren etwa 100 Gefangene und 4 Regimentsfahnen.

General Ewell hatte General Rodes befohlen, in Abstimmung mit General Early anzugreifen und dessen rechte Seite zu decken, und Brigadegeneral Lane - jetzt Kommandeur von Pender's Division - sollte sich rechts von Rodes anschließen. Zum Zeitpunkt des Angriffs hatte General Rodes seine Truppen noch nicht in der Position zur Mitwirkung von General Early, und noch bevor er bereit dazu war, musste sich General Early in Ermangelung der Unterstützung auf seiner rechten Seite wieder zurückziehen. General Lane meldete seine Bereitschaft zur Kooperation, aber General Rodes hielt dies nun angesichts des Fehlschlags von General Early's Angriff für unnötig.

In diesem Gefecht hatten wir hohe Verluste an Offizieren und Männern. Die Generalmajore Hood und Pender, die Brigadegenerale J. M. Jones, Semmes, G. T. Anderson und Barksdale, sowie Colonel Avery in Kommando von Hoke's Brigade wurden verwundet, die beiden Letztgenannten tödlich. Die Generäle Semmes und Pender starben nach ihrem Rücktransport nach Virginia.

Das Ergebnis dieser Operationen des Tages veranlasste zu der Annahme, dass bei abgestimmten Aktionen und mit verstärkten Anstrengungen, dass die auf der rechten Seite erlangten Positionen der Artillerie eine verbesserte Möglichkeit bören, die Angriffskolonnen zu decken, der endgültige Erfolg nicht ausbleiben würde, und es wurde deshalb beschlossen, den Angriff fortzusetzen.

 

Major General George G. Meade schilderte die Ereignisse von der Unionssseite aus wie folgt:

 

Gegen 7 Uhr waren das 2. und 5. Corps mit dem Rest des 3. Corps angekommen und wurden wie folgt postiert: Das 11. Corps behielt seine Position auf dem Cemetery Ridge gegenüber der Stadt; das 1. Corps stand rechts vom 11. Corps auf einer Erhebung, die eine Verbindung zur weiter südlich und östlich verlaufenden Anhöhe bildete, auf der sich das 12. Corps befand. Die rechte Flanke des 12. Corps lag an einem kleinen Fluss, wo dieser die Baltimore-Landstraße kreuzte und damit dieser Flanke einen gewissen Schutz bot.

Der Cemetery Ridge setzte sich in westlicher und dann südlicher Richtung fort, nahm dabei an Höhe ab und endete dann auf einer sehr deutlichen Erhebung namens Round Top, die in Ost-West-Richt­ung lag. Das 2. und 3. Corps hatten Befehl, diese Fortsetzung des Cemetery Ridge zu besetzen, links vom 11. Corps. Das 5. Corps wurde bis zur Ankunft des 6. Corps in Reserve gehalten.

Während diese Aufstellungen ausgeführt wurden, massierte sich der Feind seine Truppen auf einer äußeren Anhöhe, von unserer Linie 1,5 bis 2 Kilometer entfernt.

Um 14 Uhr traf das 6. Corps nach einem Marsch von 50 Kilometern ein, begonnen am Vortage um 21 Uhr. Als mir diese Ankunft berichtet wurde, befahl ich umgehend das 5. Corps, zu unserer äußeren linken Seite vorzurücken, und das 6. Corps, die Warteposition als Reserve für die rechte Flanke einzunehmen.

Gegen 15 Uhr ritt ich zur äußersten linken Position hinaus, um die Ankunft des 5. Corps zu empfangen und es zu posteieren, als ich bemerkte, dass Generalmajor Sickles, Kommandeur des 3. Corps, seine Vorgaben bezüglich der zu besetzenden Positionen nicht vollständig befolgte, sondern damit befasst war, sein Corps rund einen Kilometer vor die Linie des 2. Corps treten zu lassen, an dessen Ende er ursprünglich hätte anschließen sollen. Nachdem ich General Sickles ausfindig gemacht hatte, erklärte ich ihm dass er sich zu weit nach vorne bewegt hatte. Und noch während ich ihm die Vorzüge einer Rückwärtsbewegung darlegte, öffnete der Feind das Feuer auf ihm mit meh­reren Batterien an seiner Front und in seiner Flanke, unmittelbar gefolgt von Reihen aus Infanterie in äußerst heftigem Ansturm.

Das 3. Corps überstand den Schock heroisch. Generalmajor Hancock sandte sofort Truppen seines 2. Corps, um die rechte Flanke des 3. Corps zu decken, und glücklicherweise erschien kurz nach Beginn des Angriffs das 5. Corps unter Generalmajor Sykes und nahm Position links vom 3. Corps ein. Auch schickte er sofort eine Truppe aus, die Rount Top-Hügel zu besetzen, wo es zu äußerst heftigen Kämpfen kam, als der Feind verzweifeld wenn auch erfolglos versuchte, diese zu erobern.

Das 3. Corps unter Generalmajor Birney (Generalmajor Sickles war schon früh im Kampf verwundet worden) konnte gegen die überlegenen Zahlen des Gegners nicht standhalten, als diese sein Corps auszuflanken drohten, und war gezwungen, sich zurückzuziehen und hinter die ursprünglich vorge­sehene Linie neu zu formieren.

In der Zwischenzeit trat angesichts der großen Anstrengungen des Feindes das 6. Corps unter Generalmajor Sedgwick, Teile des 1. Corps (zu dessen Kommando ich Generalmajor Newton eingesetzt hatte), hieraus insbesondere Lockwood's Maryland-Brigade, sowie Abordnungen des 2. Corps zu jeweils verschiedenen Zeitpunkten vor, hielten zusammen mit dem unnachgiebigen Widerstand des 5. Corps den Gegner auf und schlugen dessen Angriff schließlich zurück, wonach sich dieser bei Sonnenuntergang in Unordnung zurückzog. An der äußeren linken Position kamen die Aktionen zum Stillstand.

Ein weiterer Angriff wurde jedoch noch um 20 Uhr auf das 11. Corps westlich der Stadt geführt, aber er wurde unter Zuhilfenahme von Truppen des 2. und 1. Corps abgewehrt. Während der schweren Angriffe auf unsere äußerste linke Position wurden Teile des 12. Corps zur Unterstützung abgezogen, sodass in deren Abwesenheit die Linie am rechten Ende nur schwach besetzt war. Dies wurde vom Feind ausgenutzt, der in durch das Fehlen von Geary's Division aus dem 12. Corps vorrückte und einen Teil seiner Linie besetzte.

 

(Dass die im Film "Gettysburg" so prominent hervorgehobene Auseinandersetzung um den Hügel Little Round Top kaum Erwähnung findet, liegt daran, dass es sich im Vergleich zum gesamten Kampfgeschehen nur um eine sehr kleine Sache handelte, und dass man die Bedeutung dieser Aktion erst viele Jahre später erfasste.)